Kritik
CD "Russian Spirit" - Botchkov Group
"Vor knapp 100 Jahren bildeten russische Emigranten Kulturinseln ex patria in Europa.Nach historischer Unterbrechung könnte Evgueni Botchkov diese Linie in postsowjetischer Ära forstsetzten, denn seit 2001 lebt er in Deutschland, wo er den "Russian Spirit" in ein eigenes Jazzkonzept einfließen lässt. Folk-Elemente kommen da, "Shugu Shugu" in einem Klavier-Arpeggio von Ulrich Boss und verbinden sich mit Elektrobass-Flageoletts von Sergey Botchkov sowie hymnischem Tenorsax-Solo von Evgueni Botchkov zu polyphoner Struktur. Eine Methode, die auch umgekehrt in "My Russian Soul" verwendet wird, indem aus einem Motiv in extremen Intervallsprüngen ein typisch russisches Folkzitat wächst und mit rhythmischen Akzentverschiebungen kollektiv verfremdet wird. Auch Imitationen technischer Vorgänge werden bei "The Clock" so gedreht, dass sich daraus Accelerando Swing entwickelt. Effektive Rollenverteilung ist in diesen manchmal impulsiven Klangexkursionen wesentlich. Einflüsse Neuer Musik modifiziert Evgueni Botchkov ironisch in "I'm Crazy", denn der kompositorische Kern wird zum Offbeat gedrängt. Solche Progressionen sind kennzeichnend für dieses Trio, das zudem ohne Perkussion komplexen Geweben aus notierten und improvisierten Partien individuelle Signaturen gibt. Der Anschluss an gewisse Exiltraditionen ist bei diesem ästhetisch ambitionierten Jazzidiom offenbar und stilistisch gelungen."
Hans-Dieter Grünefeld, Jazzzeitung April/Mai 2012
CD "Russian Spirit" - Botchkov Group
Der russische Saxophonist und Komponist Evgueni Botchkov hat eine neue Musiktheorie entwickelt, die auf einer 10-Ton-Skala basiert. Vielleicht liegt es daran, dass Titel wie „ I`m crazy“, „ The clock“ und „ I like it“ so komplex, so atmosphärisch dicht klingen? Vielleicht resultiert diese nahezu schlafwandlerische Sicherheit im Zusammenspiel der drei Musiker aber auch auf einer Seelenverwandtschaft? Auch sein Bruder Sergey Botchkov, E-Bass, ist von der russischen Musiktradition geprägt. Mit dem Kölner Pianisten Ulrich Boss verweben sie traditionelle russische Melodien mit ihren ganz spezifischen Ostinato-Figuren mit harmonischen und melodischen Strukturen der Neuen Musik. Auch die typisch russische Bildersprache lässt sich in den Titeln ihrer Debüt-CD nachweisen. Jede Komposition erzählt eine Geschichte, voller kognitiver und überraschender Wendungen. Eine gute Idee, die kompositorischen und spielerischen Feinheiten der Titel „ I`m crazy“ und „ I like it“ in zwei „ extended versions“ noch einmal aufzugreifen und auszubauen.
Rainer Bratfisch, JazzPodium 4|2012 http://www.jazzpodium.de/
CD "Russian Spirit" - Botchkov Group
Im Jazz kommt es immer wieder zu eher ungewöhnlichen Besetzungen und schaut man sich die Besetzungsliste der Botchkov Group sieht man, dass hier Saxophon und Klavier mit einem
E-Bass ergänzt werden. Dies ist schon einmal ein erster Hinweis darauf, dass auf der aktuellen CD Russian Spirit nicht unbedingt einem „easy listening“ Jazz gefrönt wird. Hier muss man schon
etwas Zeit investieren, um den komplexen Kompositionen aus der Feder des Bandleaders Evgueni Botchkov (Saxophon) auf die Schliche zu kommen.
Geboren in der damaligen Sowjetunion leben er und sein Bruder Sergey (Bass) schon viele Jahre in Deutschland. Die Kompositionen befassen sich aber eben noch mit der Musik der alten Heimat. Man hat
sich alter Volksmelodien und traditioneller russischer Musik angenommen und in zeitgenössisches Strukturen gegossen. Was nach einem Zwangskorsett klingen könnte ist glücklicherweise eine fein
ausgearbeitet Musik geworden, in der sich eine Art Ost-West Dialog entwickelt, was sicherlich auch daran liegt, dass Pianist Ulrich Boss eben westlich geprägt ist. Dessen gemeinsames Spiel mit
Evgueni Botchkov ist sehr prägend für den Sound auf Russian Spirit, denn hier entstehen genau diese Spannungen, von denen diese Musik lebt. Und Sergey Botchkov gibt dem ganzen ein perfektes
Fundament um den kammermusikalischen Kompositionen ihren Raum zu geben.
Man darf gespannt sein, wie sich die Botchkov Group weiterentwickeln wird. Man scheint – wenn man die Informationen auf ihrer Homepage richtig deutet - die Triobesetzung aufgeben zu
wollen. Einerseits schade, aber als Musiker ist man immer wieder bemüht, neue Wege zu gehen. Und mit Russian Spirit ist ein schönes Vermächtnis dieser Konstellation vorhanden.
Ingo Andruschkewitsch
Musik an sich... http://www.musikansich.de/review.php?id=11231
CD "Russian Spirit" - Botchkov Group
"Weggehen und ankommen bestimmen die Biografien der beiden Botchkov-Brüder. Evgueni, der ältere und Saxofonist, kam vor gut zehn Jahren aus Moskau nach Weimar, wo er seine umfangreichen Studien
fortsetzte. 2006 kam dann auch der Bassist Sergey, um zu bleiben. An der Franz-Liszt-Hochschule der thüringischen Klassikerstadt lernten sie den niedersächsischen Pianisten Ulrich Boss kennen und
formierten mit ihm dieses schlagzeuglose Trio, das nun eine wirklich verblüffende Debüt-CD vorlegt.
Alle sieben Kompositionen, von denen zwei in erweiterten Fassungen wiederholt werden am Ende der Einspielung, stammen von Evgueni Botchkov. Tatsächlich ist der kompositorische Anteil an dieser
kammermusikalisch zupackenden Musik ein ausgesprochen hoher. Russische Volksmusik und auch die moderne Klassik heimatlicher Provenienz werden ausgefuchst dem Improvisatorischen des Jazz hinterlegt.
Ausgedehnte Ostinatopassagen von schwerem und doch beweglichem Tenorsaxofon mit dem Piano oder quirlige Verschränkungen beider sind von hoher Finesse, dahinter gießt der grummelnde E-Bass Öl in diese
Maschine. Eine dezidiert unamerikanische Musikform ergibt das, die unverkopft, kurzweilig und mit diszipliniert dem Konzept zugeordneter Virtuosität besticht. Man wünscht ihr ein herzliches
Willkommen - nun in Köln - nach den Abschieden.
Ulrich Steinmetzger in JAZZTHING No. 93, 04/05/2012
CD "Russian Spirit" - Botchkov Group
Evgueni Botchkov versteht es auf der nun vorliegenden CD "Russian Spirit" sowohl als feinfühliger, farbenreicher Komponist als auch virtuoser Saxophonist zu überzeugen.
Seine Stücke generieren über z.T. hymnenhaft anmutenden, expressiven oder auch repetitiven Strukturen ganz zauberhafte Stimmungen, die den Zuhörer auf eine faszinierende Reise durch das
Ursprungsland des Bandleaders mitnehmen.
Uli Boss besticht durch feinfühlige Begleitung und atemberaubende Soli, und Sergey Botchkov liefert dazu die groovige, unentbehrlich-bassige Basis, den Klebstoff für den so wichtigen
Zusammenhalt des Trios.
Fazit: Überzeugendes Konzept, eigenständige Tonsprache, absolute Kaufempfehlung.
Prof. Manfred Bründl
CD "Russian Spirit" - Botchkov Group
Die Musik dieses wunderbaren Trios ist durch und durch authentisch. Ethnisch reich genährt hat der Jazz der 3 Musiker Evgueni Botchkov, Ulrich Boss und Sergey Botchkov viele Facetten. Er trifft eine sehr persönliche Aussage, hat humorvolle, direkte, teils auch monumentale Elemente, sowie Dichte und Fluß, ist aber hier und da auch nachdenklich, vermittelt Fläche, Weite und lädt zum Verweilen ein. Den Zuhörer erreicht eine tief empfundene und berührende, also "ehrliche" Musik, deren Gesamtbild letztlich durch die hervorragende instrumentale Meisterschaft der 3 Musiker abgerundet wird.
Prof. Wolfgang Bleibel
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Bleibel